Anleger können mit ihren Investitionen dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels abzumildern. Hier ein Überblick, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Bertrand Beauté
Die Europäische Kommission hat 2022 beschlossen, Erdgas und Atomkraft in ihre Umwelttaxonomie aufzunehmen. Sie ist der Ansicht, dass diese Technologien unter bestimmten Bedingungen zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen. Durch diese Entscheidung können Investitionen in Atom- oder Gaskraftwerke für die Stromerzeugung als «nachhaltig» klassifiziert werden. Das hat bei einigen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Greenpeace Empörung hervorgerufen. Die NGOs bezichtigen die EU-Kommission des Greenwashings und haben diese Entscheidung 2023 beim Europäischen Gerichtshof angefochten. Die Kontroverse über die EU-Taxonomie veranschaulicht die Schwierigkeiten, sich auf das zu einigen, was nachhaltig ist und was nicht.
«Es gibt keine allgemeingültige Definition von Nachhaltigkeit», erklärt Professor Philipp Krüger, Spezialist für Responsible Finance an der Universität Genf. Angesichts dieser Problematik liegt die Entscheidung bei den Investoren, meint Yili Wu, Sustainable Investing Strategist bei Global X ETFs: «Ich halte es für wichtig, dass jeder Anleger selbst über seine Nachhaltigkeits- und Performanceziele nachdenkt.» Nachfolgend erläutern wir einige Strategien, die bei der Auswahl helfen können.
Vorteil: Individuelle Auswahl
Nachteil: Man muss sich über jedes Unternehmen informieren
Wer die Unternehmen, in die man investiert, selbst auswählen will, hat einen gewissen Vorteil: Er oder sie kann sichergehen, dass alle Unternehmen im Portfolio die gleichen – wie auch immer gearteten – Werte teilen wie man selbst. Ein Klimaskeptiker, dem soziale Fragen sehr am Herzen liegen, könnte beispielsweise die Aktie von Sodexo kaufen. Das französische Unternehmen hat Anfang 2023 für seine 420’000 Beschäftigten in 53 Ländern einen einheitlichen Grundstock an Sozialleistungen eingeführt. Alle Mitarbeitenden kommen künftig in den Genuss einer Lebensversicherung, können Elternzeit in Anspruch nehmen und erhalten Urlaub für pflegende Angehörige. Ein anderes Beispiel: Man kann sich für Anlagen in Unternehmen entscheiden, die grössten Wert auf die Integration von LGBTQIA+ legen. Laut einer Publikation der Credit Suisse aus dem Jahr 2020 mit dem Titel «Diversity: The LGBT-350» kann sich ein solcher Ansatz sogar wirtschaftlich lohnen. Diese Studie zeigt eine bessere Kursentwicklung bei Aktien von Unternehmen, die sich gezielt für die Einbeziehung von LGBTQIA+-Personen einsetzen. Zu dieser Feststellung gelangte die Bank mithilfe eines Portfolios aus 350 Unternehmen, die bei diesem Thema besonders engagiert sind. Auf den ersten Plätzen finden sich hierbei die grossen Technologiekonzerne Apple, Microsoft, Amazon und Google.
Vorteil: Einfache Auswahl
Nachteil: Auch unerwünschte Unternehmen sind enthalten
In sogenannten «grünen» bzw. «nachhaltigen» Fonds oder ETF sind in manchen Fällen auch Unternehmen enthalten, die im Bereich fossile Energien oder Atomkraft tätig sind. Für viele Anleger ist das inakzeptabel. Die Lösung? «Neben grünen ETF gibt es stärker spezialisierte ETF. Hiermit lässt sich in einen bestimmten Sektor investieren, etwa ETF für Wasserstoff oder erneuerbare Energie», erklärt Yili Wu, Sustainable Investing Strategist bei Global X ETFs. Aber auch hier ist nicht alles perfekt. In ETF für Wasserstoff sind auch Unternehmen wie Air Liquide oder Air Products vertreten, die im Wesentlichen grauen oder blauen Wasserstoff produzieren, also auf Basis fossiler Energien.
Vorteil: Positive Wirkungen
Nachteil: Hohes Risiko
Das Global Impact Investing Network (GIIN) definiert Impact Investing als «Investitionen, die mit der Absicht getätigt werden, positive messbare soziale und ökologische Wirkungen und zugleich eine finanzielle Rendite zu erzielen». Im Unterschied zu «nachhaltigen» Investitionen, bei denen es in der Regel um Unternehmen mit guten ESG-Ratings geht, soll Impact Investing einen messbaren Nutzen für die Gesellschaft bewirken. So kann beispielsweise Coca-Cola in «nachhaltige» Fonds, nicht aber in Impact-Fonds aufgenommen werden. Tesla, Zoom Video Communications, Moderna oder auch Impossible Foods werden regelmässig als Erfolgsbeispiele für Impact zitiert, weil sie sowohl Wertschöpfung für ihre Anleger generieren als auch positive Wirkung auf Mensch und Umwelt entfalten, also einen Beitrag zu den gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit leisten. Anfangs hatte Impact Investing das Ziel, entsprechende Start-ups zu unterstützen. Heute gibt es zahlreiche einschlägige ETF und Fonds.
Vorteil: Einfache Auswahl
Nachteil: Auch unerwünschte Unternehmen sind enthalten
Gemäss dieser Strategie investiert man in Unternehmen, die bei der Umsetzung ihrer ESG-Kriterien führend sind. Das heisst, dass sie die besten Bewertungen der Ratingagenturen wie MSCI oder Refinitiv erhalten. Laut dem Ranking von Refinitiv sind beispielsweise die drei Unternehmen, die sich weltweit durch die höchste soziale Verantwortung auszeichnen, IBM aus den USA, SAP aus Deutschland und Tata Consultancy Services aus Indien. Das erste Schweizer Unternehmen – Roche – liegt auf dem neunten Platz. Möglich ist der «Best in Class»-Ansatz auch über ETF (börsengehandelte Fonds) oder über Fonds, in denen die am besten bewerteten Unternehmen aus allen Sektoren vertreten sind. Mehreren Untersuchungen zufolge erzielen «Best in Class»-Unternehmen eine etwas bessere Wertentwicklung als der Markt.
Vorteil: Hohes Potenzial
Nachteil: Hohes Risiko
«Wollen Sie, dass Ihre Investition eine sofortige Wirkung hat, oder ist Ihnen ein langfristiger Horizont lieber?», fragt Luke Ward, Investment Manager im Discovery Team bei Baillie Gifford. Auf erneuerbare Energien (Sonnen- und Windkraft) zu setzen, kann kurzfristig vielleicht nur geringe Effekte haben. Doch Investitionen in disruptive Technologien könnten eine echte Revolution auslösen, wenn sie sich eines Tages durchsetzen, so der Spezialist. «Voraussetzung für die Akzeptanz dieser Technologien ist, dass sie besser und billiger sind», fährt Luke Ward fort. «Schauen Sie sich Atomkraft an: Im Laufe der Zeit ist diese Technologie immer teurer geworden. Eine Lösung könnten kleine SMR (Small Modular Reactors) darstellen. Durch eine Standardisierung von Komponenten und den Bau von Dutzenden oder Hunderten von Einheiten könnten Unternehmen, die SMR entwickeln, die Kosten von Atomkraft drastisch reduzieren und so einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten.» Zu den Unternehmen, die SMR entwickeln, gehört unter anderem Nuscale Power (s. «Swissquote Magazine» von Mai 2022). Auch andere Technologien wie Feststoffbatterien, die Toyota zwischen 2027 und 2028 in Serie fertigen will, oder die Kernfusion, bei der sich vor allem das Unternehmen SHINE Technologies engagiert, könnten mittel- bis langfristig grosse Wirkung entfalten.