27.06.2024
"Die Strahlentherapie spielt nach wie vor eine wichtige Rolle"
Interview with Accuray

Das kalifornische Unternehmen Accuray entwickelt Hochpräzisionsgeräte, die zur Tumorbekämpfung eingesetzt werden. Im Interview mit "Swissquote Magazine" verteidigt CEO Suzanne Winter ihr Geschäftsmodell gegen Skeptiker auf den Finanzmärkten.

Bertrand Beauté

Für den Laien ist die Entdeckung des CyberKnife-Systems etwas Faszinierendes, so etwas wie ein Abstecher in eine Science-Fiction-Welt. Dabei sind international bereits mehr als 350 Exemplare dieses Roboterarms im Einsatz. Auf der Basis neuester Technologien richten sie hochenergetische Röntgenstrahlen auf bösartige Tumoren, um sie mit hoher Präzision zu zerstören. Fünf Exemplare stehen in der Schweiz: im Centre Hospitalier Universitaire Vaudois Lausanne (CHUV), in den Hôpitaux Universitaires de Genève (HUG), in der Genolier- Klinik, im Inselspital Bern und in der Klinik Hirslanden in Zürich.

Das von der US-Firma Accuray entwickelte CyberKnife ermöglicht die Behandlung von Tumoren, die sich in kritischen Bereichen wie dem Gehirn befinden oder in Organen, die sich während der Bestrahlung bewegen, so wie die Lunge, die Leber oder die Prostata. Denn mithilfe eines integrierten Bildgebungsverfahrens und der sogenannten Synchrony-Technologie mit integrierter künstlicher Intelligenz ortet das Gerät kontinuierlich die Position des Tumors und verfolgt ihn in Echtzeit. Zwischen zwei Bestrahlungen umkreist der Roboterarm den Patienten und sucht die besten Winkel, um die Krebszellen zu erreichen.

"Die Behandlung von Tumoren mit Strahlentherapie zielt darauf ab, die bösartigen Zellen zu zerstören und dabei die gesunden Zellen in der Umgebung weitestgehend zu schonen. Dieses Problem ist bei kritischen Organen wie dem Gehirn besonders heikel", erklärt Professor Oscar Matzinger, Leiter der Abteilung Radio-Onkologie an der Genolier-Klinik. "Mit dem CyberKnife wird die Präzision wesentlich erhöht, sodass die Nebenwirkungen verringert werden können."

Ist der Erfolg von Accuray damit also garantiert? Suzanne Winter, CEO des amerikanischen Unternehmens, glaubt fest daran. Die Finanzmärkte hingegen sind weniger überzeugt. Die Accuray-Aktie, 2007 zum Preis von 20 Dollar an die Börse gebracht, hat inzwischen fast ihren gesamten Wert verloren und wird heute zu etwa 1,5 Dollar gehandelt. Suzanne Winter, die im April anlässlich der Einweihung des Accuray-Schulungszentrums im Genolier Innovation Hub in der Schweiz war, verteidigt ihr Unternehmen mit Verve.

Warum haben Sie entschieden, Ihr Schulungszentrum im Kanton Waadt zu errichten, und wozu wird es dienen?

Im Bereich der Strahlentherapie ist die Ausbildung des medizinischen Personals unerlässlich. Die Fachkräfte müssen die Geräte, die sie bedienen, genau kennen, damit sie die Patienten bestmöglich behandeln können. Bisher hatte Accuray weltweit drei Schulungsstandorte: in China, Japan und den USA. Wir brauchten auch ein entsprechendes Zentrum für Europa und haben beschlossen, es in Genolier einzurichten. Unseren Prognosen zufolge werden hier jedes Jahr etwa 500 Spezialisten aus ganz Europa ausgebildet werden. Was den Kanton Waadt betrifft, so besteht eine langjährige Beziehung zu dieser Region. Wir haben 2011 unsere internationale Zentrale in Morges eingerichtet (der Konzern besitzt immer noch seinen Hauptsitz in Sunnyvale, Kalifornien, Anm. d. Red.). Von hier aus verwalten wir unsere Geschäftsaktivitäten in der gesamten Region Europa, Indien, Naher Osten und Afrika (EIMEA), in der wir rund 35 Prozent unseres Umsatzes erzielt haben. Daher war es logisch, dass sich unser Schulungszentrum für Europa in der Nähe von Morges befinden soll.

Accuray entwickelt und vermarktet Strahlentherapiegeräte für die Behandlung von Krebserkrankungen. Inwiefern unterscheiden sich Ihre Produkte von denen der Konkurrenz?

Wir vermarkten zwei Strahlentherapiesysteme: das Radixact und das CyberKnife. Das Radixact ist ein All-in-one-System, das ein Bildgebungssystem (CT-Scan) mit einem helikalen Strahlentherapiesystem kombiniert. Damit können die Strahlen kontinuierlich und zudem extrem präzise aus 360 Grad an die Patienten abgegeben werden, wobei der Arzt die Behandlung anhand der Bildgebung in Echtzeit korrigieren kann. Das Radixact wird insbesondere für die gezielte Behandlung grosser Tumoren in beliebigen Körperregionen empfohlen. Das CyberKnife ist ein fantastisches, einzigartiges Gerät. Dank seines Roboterarms kann es bewegliche Tumoren mit hoher Präzision verfolgen und in kritischen Bereichen wie der Lunge oder der Prostata sehr genau anvisieren.

Sowohl mit dem Radixact als auch mit dem CyberKnife wird die Bestrahlung von gesundem Gewebe erheblich reduziert. Damit verringern sich auch die mit der Strahlentherapie verbundenen Nebenwirkungen. In jeder Sitzung können höhere Dosen abgegeben werden, sodass am Ende weniger Sitzungen erforderlich sind. Mit diesen Geräten lässt sich ein Tumor in fünf Sitzungen behandeln, während mit einem herkömmlichen Gerät 30 bis 40 Sitzungen benötigt werden. Derzeit sind weltweit mehr als 1’000 unserer Geräte installiert. 55 Prozent unserer Einnahmen stammen aus dem Verkauf der Geräte und 45 Prozent aus den damit verbundenen Dienstleistungen wie Schulung, Wartung und so weiter.

"KI wird Ärzten bei der Entscheidung helfen, eine Behandlung bei Bedarf anzupassen"

Wie setzen Sie künstliche Intelligenz (KI) ein?

Wir integrieren KI in unsere Systeme, um die Präzision der Strahlentherapie zu optimieren. Insbesondere werden die Behandlungen je nach Bewegung des Tumors und des Patienten in Echtzeit synchronisiert und angepasst. Wenn sich ein Tumor beispielsweise an einem Lungenflügel befindet, atmet der Patient während der Strahlentherapie frei. Dank der KI können die mit der Atmung verbundenen Bewegungen des Tumors antizipiert werden. Dadurch ist der Röntgenstrahl immer auf die Krebszellen gerichtet, und die gesunden Zellen bleiben verschont. Manche Tumoren verändern auch zwischen zwei Strahlenbehandlungen ihre Form oder Grösse. Die KI erkennt diese Veränderungen und hilft den Ärzten bei ihrer Entscheidung, die Therapie gegebenenfalls anzupassen.

Trotz steigender Umsätze mit einem Plus von 4,1 Prozent im vergangenen Geschäftsjahr, das am 30. Juni 2023 endete, bleibt Accuray defizitär und musste sich im Oktober 2023 von 6 Prozent seiner Mitarbeiter trennen. Was sagen Sie den Analysten und Anlegern, die an Accuray zweifeln?

Wir haben Vertrauen in unser Geschäftsmodell. Laut WHO dürfte sich die Zahl der neuen Krebsfälle pro Jahr bis 2050 auf 35 Millionen erhöhen, was einem Anstieg von 77 Prozent im Vergleich zur heutigen Situation entspricht. Und 60 Prozent dieser Patienten werden voraussichtlich mit Strahlentherapie behandelt werden. Es dürfte in Zukunft also eine hohe Nachfrage nach unseren Produkten geben, zumal viele Regierungen Krebsbekämpfungspläne ausarbeiten, um gegen diese Geissel anzugehen. Es stimmt, dass wir im letzten Jahr einen Sozialplan durchführen mussten, und das ist etwas, das wir so weit wie möglich vermeiden wollen.

Dadurch sollten wir jedoch in der Lage sein, effizienter zu arbeiten und ab dem Geschäftsjahr 2025 (das Geschäftsjahr 2024 endet am 30. Juni, Anm. d. Red.) die Rentabilität zu erreichen. Unsere Auftragsbücher waren noch nie so gut gefüllt wie heute. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass wir in den kommenden Jahren einen Mehrwert für unsere Aktionäre schaffen werden. Wir sind hinsichtlich der Fundamentaldaten gut aufgestellt, und ich denke, dass die Märkte dies eines Tages erkennen werden.

Strahlentherapiegeräte sind teuer. Wie können Sie Krankenhäuser davon überzeugen, einem kleinen Unternehmen wie Accuray zu vertrauen, statt sich einem Riesen wie Siemens zuzuwenden?

In der Vergangenheit war es eine Herausforderung, die medizinische Fachwelt davon zu überzeugen, unsere Geräte einzusetzen. Aber heute ist Accuray eine anerkannte Firma, weil unsere Systeme den Ärzten die Möglichkeit bieten, Dinge zu tun, die mit den Geräten der Konkurrenz nicht möglich sind.

Könnte es passieren, dass Sie von einem Ihrer grossen Konkurrenten aufgekauft werden?

Wenn es ein solches Angebot gäbe, würden wir es prüfen. Im Moment planen wir jedoch, unsere Entwicklung allein fortzusetzen.

Mit dem Aufkommen innovativer Behandlungsmethoden wie der Immuntherapie oder mRNA-Impfstoffen erlebt die Krebsbekämpfung derzeit eine Revolution. Besteht nicht die Gefahr, dass diese neuen Behandlungen die Strahlentherapie ersetzen werden?

Nein, das glaube ich nicht. Die Strahlentherapie spielt nach wie vor eine wichtige Rolle. Etwa 60 Prozent der Krebspatienten werden heute mit Röntgenstrahlen behandelt. Die Chemotherapie und die neuen Medikamente sind eine Ergänzung. Sie ersetzen die Strahlentherapie nicht, sondern ergänzen und verbessern sie. Ausserdem leben Menschen mit einer Krebserkrankung heute länger, was neue Möglichkeiten für die Präzisionsstrahlentherapie zur Behandlung von Rückfällen eröffnet. Ich glaube wirklich fest an die Zukunft dieser Technologie.

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